29.09.2022 - 18:23 | Quelle: Sky | Lesedauer: unter 3 Min.
Lokomotiv Moskau
Markus Gisdol
Wieder Auslandsstation möglich 

Gisdol über Moskau-Abgang: „Schnell gemerkt, dass ich mit der Situation nicht klarkomme“

Ex-HSV-Coach Markus Gisdol über Abgang von Lokomotiv Moskau
©IMAGO

 „Fußballtrainer ist für mich der schönste Job der Welt. Ich kann meiner Berufung aber nicht in einem Land nachgehen, dessen Staatsführer einen Angriffskrieg mitten in Europa verantwortet. Das geht mit meinen Werten nicht überein.“ Mit diesen Worten begründete Trainer Markus Gisdol Anfang März wenige Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine seinen Abgang von Lokomotiv Moskau nach nur zwölf Pflichtspielen. Im Interview mit „Sky“ blickte der 53-Jährige, der sich laut eigener Aussage seitdem eine bewusste Pause genommen hat, auf die Entscheidung zurück.


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Lokomotiv, wohin ihn Ralf Rangnick, der dort bis zu seinem Wechsel zu Manchester United als Sport-Geschäftsführer tätig war, im Oktober 2021 geholt hatte, sei eine sportlich „sehr interessante Aufgabe“ gewesen. Mit dem Beginn des Krieges habe er jedoch „schnell gemerkt, dass ich mit der Situation große Schwierigkeiten habe und damit nicht klarkomme. Ich habe es nicht geschafft, mich auf Fußball zu konzentrieren.“ Die Lösung, Russland zu verlassen, sei deshalb die einzigmögliche gewesen, sagte Gisdol: „Mir war klar, dass ich eine konsequente Entscheidung treffen muss.“



Gisdol hatte beim Hauptstadtklub zunächst einen Vertrag bis Sommer 2022 unterschrieben und betonte, dass er „gern länger dortgeblieben“ wäre. Seine erste Auslandsstation, bei der erstmals seine Ansprachen nicht auf Deutsch führen musste, sei trotz der letztlich kurzen Dauer eine „wichtige Erfahrung“ gewesen, sagte der frühere Trainer der TSG Hoffenheim, des Hamburger SV und des 1.FC Köln.


Neuer Trainerjob im Ausland für Markus Gisdol realistische Option


Ein neuer Trainerjob im Ausland sei deshalb eine veritable Option. Er habe mit dem Wechsel nach Moskau „testen“ wollen, „ob mir das liegt – und ob ich in der Lage bin, in anderen Kulturen mit anderen Mentalitäten zurechtzukommen“, sagte Gisdol, der bei Lokomotiv im Schnitt einen Punkt pro Spiel holte. Seine durchschnittlich beste Ausbeute hatte er im Kraichgau mit 1,34 Zählern. Dies sei positiv verlaufen und er habe seitdem gemerkt, dass „das Interesse ausländischer Klubs durch das Engagement in Moskau größer geworden ist. Das macht mich auf jeden Fall flexibler in meinen Entscheidungen.“


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Dass es seit dem Abgang aus Moskau zu keinem weiteren Engagement gekommen ist, sei eine bewusste Entscheidung für eine Pause mit der Familie gewesen: „Im April saßen wir mit der Familie zusammen und mein Sohn, der ist jetzt 11, hat zu mir gesagt: Papa, es wäre doch schön, wenn wir mal die Sommerferien zusammen verbringen könnten. Die Idee fand ich gut und daher habe ich mich entschieden, erstmal eine Auszeit zu nehmen, keine Gespräche zu führen und alle Angebote abzublocken.“ Diese Zeit habe ihm „viel Kraft“ gegeben und er sei deshalb nun bereit, wieder einzusteigen.


Gisdol zählt zu einer Reihe deutscher Trainer um Bruno Labbadia, Florian Kohfeldt oder Sebastian Hoeneß, die in den kommenden Monaten, wenn Jobs in der 1. und 2. Bundesliga frei werden, zu den Kandidaten gehören dürften – oder eben im Ausland. „Ich würde mir wünschen, einen Verein zu trainieren, der klare und realistische Vorstellungen hat und gemeinsam in dieselbe Richtung marschiert. Ich möchte mir diesmal auch die Freiheit herausnehmen, abzuwarten bis der richtige Moment und die passende Situation kommt“, meinte er. „Vom Land oder von der Spielklasse hängt das nicht ab.“


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Taunus_Bock FC St. Pauli Taunus_Bock 30.09.2022 - 08:02
Gisdol ist kein Held oder Heiliger, wir er sich gerne hinstellt.
Wie bereits erwähnt, hat er sich auch im Vorfeld nicht um Menschenrechte oder politische Situation in Russland geschert.
Sportlich war er mit der schlechteste Trainer der letzten Jahre beim FC. Und da hatten wir einige „Persönlichkeiten“.
Auch sein Engagement in Moskau war nicht von Erfolg gekrönt.
Gutes Geld hat er trotzdem einkassiert!
Inoui VfB Stuttgart Inoui 29.09.2022 - 20:39
Zitat von BwantsaCinherA
Zitat von Johnny_Moped

Zitat von Gisdol

Fußballtrainer ist für mich der schönste Job der Welt. Ich kann meiner Berufung aber nicht in einem Land nachgehen, dessen Staatsführer einen Angriffskrieg mitten in Europa verantwortet. Das geht mit meinen Werten nicht überein


Um ehrlich zu sein verstehe ich seine Beweggründe nicht. Es kann sich dabei nur um eine diffuse aus,- bzw. eingrenzende Argumentationsgrundlage aus Zeitpunkt und Geographie handeln, der akut seine Perspektive verzerrt. Denn sonst wüsste er ja von den anderen Angriffskriegen des selben Staatsführers des selben Landes gegenüber Georgien 2008 und Syrien 2015. Aber das ist entweder schon zu lange her oder zu weit weg vom eigentlichen Europa, sonst hätte er sich nicht so leicht vom Club der sowjetischen Eisenbahn anheuern lassen.

Auch mich verwirrt immer wieder, wie wichtig der Punkt "Europa" bei der Vereinbarkeit zwischen angeblichen eigenen Werten und einem Angriffskrieg für viele wohl ist.


Warum ist er überhaupt nach Russland gegangen? Ich denke mal, Homophobie, staatlich gelenkte Presse und Auftragsmorde im In- und Ausland gehören auch nicht zu seinen Werten. Und das war alles schon vor dem 24.02 so. Aber bis dahin galt Russland halt als okayes Land. Ab da kam die Ächtung und ab da haben auch die Leute, die eher die eigenen Chancen oder das eigene Interesse an neuen Kulturen im Blick hatten, sich selbst aber im "westlichen" Wertekanon und Staats-/Politikverständnis verorten würden (freie Wahlen, Presse-/Versammlungsfreiheit, etc.) das Weite gesucht. Wahrscheinlich, weil die Erschütterung so stark war bzw. die existenzielle Bedrohung eines Krieges viel unmittelbar zu spüren ist als die o.g. Punkte oder die Gräuel in Georgien, Syrien, ...
Mach ihm keinen Strick draus. Er hat die richtige Wahl getroffen, aus den richtigen Gründen. Muss dafür kein Übermensch sein.
BwantsaCinherA FC Bayern München BwantsaCinherA 29.09.2022 - 19:42
Zitat von Johnny_Moped
Zitat von Gisdol

Fußballtrainer ist für mich der schönste Job der Welt. Ich kann meiner Berufung aber nicht in einem Land nachgehen, dessen Staatsführer einen Angriffskrieg mitten in Europa verantwortet. Das geht mit meinen Werten nicht überein


Um ehrlich zu sein verstehe ich seine Beweggründe nicht. Es kann sich dabei nur um eine diffuse aus,- bzw. eingrenzende Argumentationsgrundlage aus Zeitpunkt und Geographie handeln, der akut seine Perspektive verzerrt. Denn sonst wüsste er ja von den anderen Angriffskriegen des selben Staatsführers des selben Landes gegenüber Georgien 2008 und Syrien 2015. Aber das ist entweder schon zu lange her oder zu weit weg vom eigentlichen Europa, sonst hätte er sich nicht so leicht vom Club der sowjetischen Eisenbahn anheuern lassen.

Auch mich verwirrt immer wieder, wie wichtig der Punkt "Europa" bei der Vereinbarkeit zwischen angeblichen eigenen Werten und einem Angriffskrieg für viele wohl ist.
Autor
Matteo
Marius Soyke
TM-Username: Matteo

Community-Mitglied der 1. Stunde und Teil der Redaktion seit Ende 2013. Serieamore!

Alle Beiträge des Autors
Markus Gisdol
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Markus Gisdol
Geb./Alter:
17.08.1969 (54)
Nat.:  Deutschland
Akt. Verein:
Samsunspor
Aktuelle Funktion:
Trainer
Vertrag bis:
30.06.2024
Im Amt seit:
10.10.2023
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