01.05.2022 - 11:50 | Quelle: Transfermarkt | Lesedauer: unter 9 Min.
1.FC Köln
Pierre Littbarski
„Effzeh“-Ikone im Interview 

Littbarski über Angebot aus Florenz, WM-Titel & Köln-Abgang aus „gekränkter Eitelkeit“

1. FC Köln: FC-Legende Pierre Littbarski im Transfermarkt-Interview
©TM/IMAGO

Es gibt Fußballprofis, bei denen bedarf es keiner weiteren Erklärung, denn allein ihr Name weckt selbst nach dem Karriereende bei vielen Fans Gänsehaut und Hochgefühle. Zu dieser Kategorie gehört – vor allem mit Blick auf Anhänger des 1. FC KölnPierre Littbarski. Über 500 Bundesliga-Partien absolvierte die „Effzeh“-Ikone, gewann den DFB-Pokal. Über allem thront der WM-Titel 1990. Im Gespräch mit Transfermarkt blickt der 62-Jährige auf seine Karriere zurück.


Leistungsdaten
Pierre Littbarski
P. Littbarski Offensives Mittelfeld
1.FC Köln
1.FC Köln
Gesamte Leistungsdaten
Alle Wettbewerbe
Spiele
504
Tore
144
Vorlagen
61


In den vergangenen zwei Wochen wurde Littbarski unfreiwillig an eines der wichtigsten Spiele seiner Anfangszeit beim 1.FC Köln erinnert. Grund dafür war das Aufeinandertreffen des FC Barcelona und Eintracht Frankfurt im Viertelfinale der Europa League, aber auch der Frauen des VfL Wolfsburg gegen den FC Barcelona in der Champions League. Die Bilder vom 5. November 1980 sieht der ehemalige Mittelfeldspieler noch klar vor seinem inneren Auge. An jenem Abend traf der Offensivspieler mit dem „Effzeh“ in der 2. Runde des UEFA-Cups auf die Katalanen. Die Geißböcke mussten für ein Weiterkommen eine 0:1-Niederlage aus dem Hinspiel wettmachen. Kaum ein Experte glaubte daran, zumal die Kölner im Camp Nou antreten mussten und dort bis dahin noch keine deutsche Mannschaft gewinnen konnte.



Doch der Bundesligist und insbesondere Littbarski, der in der 41. Minute für Dieter Prestin in die Partie kam, zeigten es den Kritikern. Nach 41 Minuten gingen die Kölner durch einen sehenswerten Treffer von Innenverteidiger Gerd Strack in Führung. In der zweiten Hälfte legten Stephan Engels (46.), Littbarski (63.) und Dieter Müller (70.) zum 4:0-Endstand nach. „Das war für uns ein großes Spiel. Für mich waren die Partien im UEFA-Cup immer tolle Erlebnisse, neue Städte und vor allem neue Spielstile kennenzulernen. Wenn du gegen Barcelona weiterkommst, dann schaffst du das nur, weil du eine unglaubliche Mannschaftsleistung an den Tag legst“, ist Littbarski überzeugt.



In jener Saison schaffte es Köln, bis ins Halbfinale des UEFA-Cups vorzurücken. Obwohl das Finale am Ende verwehrt blieb, entwickelte sich das Team um Leistungsträger Littbarski in den nachfolgenden Jahren zu einer absoluten Spitzenmannschaft. In der Saison 1981/82 wurde der „Effzeh“ Vizemeister mit nur drei Punkten Rückstand auf den HSV, ein Jahr später folgte der Triumph im DFB-Pokal. Entscheidender Torschütze im Finale gegen Lokalrivale Fortuna Köln war Littbarski. Spätestens mit diesem Tor wurde der damals 23-Jährige zur Vereinslegende. Was viele zu diesem Zeitpunkt gar nicht wussten: Littbarski wechselte 1978 als glühender Gladbach-Anhänger zum 1. FC Köln.


Hertha BSC lehnte Littbarski wegen Körpergröße ab – „Iss erstmal eine Butterstulle“


„Tatsächlich bin ich als Gladbach-Fan nach Köln gekommen. Man muss dazu sagen, dass die Kölner die einzigen waren, die mir ein Angebot unterbreiteten. Eigentlich war ihr Kader voll, aber irgendwie rutschte ich als 26. Mann noch rein, weil sie mich unbedingt wollten. Ich als Berliner wäre natürlich auch gerne zur Hertha gewechselt. Von deren Seite wurde mir aber deutlich gemacht, dass sie kein Interesse haben. Ich erinnere mich, wie ein Verantwortlicher zu mir sagte: ‚Iss erstmal eine Butterstulle, damit du noch wächst und dann können wir weiterreden'", erinnert sich der 1,68 Meter große Littbarski.



In Köln erhielt er besonders vom damaligen Trainer Hennes Weisweiler Unterstützung. „Er war eine Art Vaterfigur. Es gab Tage, da hat er nur rumgeschrien und dann gab es Tage, da hat er dich in den Arm genommen. Ich erinnere mich an eine Situation im Trainingslager. Er holte mich während des Abendessen zu sich ran und sagte: ‚Litti, du trinkst jetzt ein Kölsch, damit du auch ein richtiger Mann wirst.‘ Ich sagte zu ihm: ‚Trainer, ich trinke kein Alkohol‘. Daraufhin er: ‚Wenn du das Kölsch nicht austrinkst, spielst du nicht unter mir.‘ Ich erwiderte: ‚Dann ist das halt so, aber ich trinke keinen Alkohol. Ende der Geschichte.‘ Das Bier trank jemand anders und ich wurde komischerweise doch Stammspieler unter ihm“, erzählt Littbarski lachend.


Mitarbeiter
Hennes Weisweiler
H. Weisweiler Alter: 63
1.FC Köln
1.FC Köln
Alle Saisons -
Alle Wettbewerbe
Spiele
358
Gewonnen
187
Unentschieden
77
Verloren
94


Auch die Verhandlungen waren zu jener Zeit anders als heute. „Meistens kam für eine Vertragsverlängerung der damalige Köln-Manager Karl-Heinz Thielen auf den Trainingsplatz. Dann wurde sie zwischen Tür und Angel per Handschlag besiegelt. Der Vertrag wurde meistens erst Wochen später unterschrieben“, sagt der frühere Nationalspieler. Heutzutage wäre so etwas wohl unmöglich – laut Littbarski auch wegen der Länge der Arbeitspapiere. „Früher war ein Vertrag höchstens fünf Seiten lang, heute ist er aufgrund der ganzen Klauseln um ein zigfaches größer. Von den Summen, die heute im Umlauf sind, konnten wir nur träumen. Ich verdiente beispielsweise 4.000 DM Grundgehalt im Monat. Wenn ich eine erfolgreiche Saison absolvierte, konnte ich noch Zusatzprämien rausschlagen. Ich sage das ohne Neid auf die heutigen Gehälter. Der Markt gibt solche Transfersummen und Gehälter her. Wir müssen die Situation so annehmen, wie sie ist, sie auch akzeptieren. Wir müssen aber aufpassen, dass wir das Rad nicht überdrehen“, betont der 62-Jährige.



Mein Antrieb war immer die Gier zum Perfektionismus



Obwohl Littbarski eine Vita vorweisen kann, von der viele Profis nur träumen können, gab es während seiner aktiven Zeit keinen Moment, in dem er Zufriedenheit verspürte. „Ich habe den Fußball nie mit Druck verknüpft. Ich war und bin immer noch so dankbar, dass ich mein Hobby zum Beruf machen durfte. Ich wurde fürs Kicken bezahlt, geiler ging es doch gar nicht. Mein Antrieb war immer die Gier zum Perfektionismus.“ Er habe jedes Training als Motivation genutzt, noch besser zu werden. „Während andere gesagt haben: ‚Litti, geiles Spiel‘, dachte ich mir immer: ‚Ja, aber an der und der Stelle muss ich noch besser werden.‘ Wenn ich rückblickend auf meine Karriere schaue, gibt es auch nur eine einzige Partie, über die ich sagen würde, da lief alles perfekt: das Halbfinale der WM 1982 gegen Frankreich. Ich finde die perfekte Partie ist die, bei der du als neutraler Fan selbst nach Wochen sagst: ‚Weißt du noch?‘“, so Littbarski.



Der langjährige Chefscout des VfL Wolfsburg ist weiter dicht dran an den neuen Fußballer-Generationen, sein Sohn Lucien etwa spielt derzeit bei den Niedersachsen in der U19. Während dort wie bei den Profis bunte Schuhe zum Standardrepertoire gehören, ist Littbarski selbst ein Verfechter der klassischen Variante: „Wenn ich zur heutigen Generation gehören würde, würde ich über die Farbvielfalt vielleicht anders denken. Aber für mich ist ein Fußballschuh schwarz und weiß. Ich glaube, dass die heutigen Schuhe viele Vorteile haben, allerdings war für mich der Copa Mundial der Fußballschuh überhaupt. Die heutigen Schuhe sind mir zu leicht, insbesondere finde ich die Fersenstabilität nicht gegeben. Früher konnte dir ein Gegenspieler auf den Fuß steigen, du hast den dann einmal sparsam angeschaut und weitergemacht. Heutzutage ist die Gefahr von Verletzungen nicht von der Hand zu weisen“, sagt Littbarski.


Der gebürtige Berliner glänzte in den Achtzigern nicht nur als Dribbler und Spielmacher, sondern auch als Torschütze. Allein in der Bundesliga traf Littbarski 116-mal in 406 Partien, bereitete zudem 54 Treffer vor. Wie abhängig der 1. FC Köln und vor allem seine Mitspieler vom absoluten Leistungsträger waren, zeigte sich in der Saison 1985/1986, als Littbarski über Wochen verletzt fehlte und der „Effzeh“ prompt in den Abstiegskampf rutschte. Im UEFA-Cup erreichte der Klub das Finale, verlor jedoch deutlich gegen Real Madrid. Littbarski galt zu jener Zeit als Spieler mit Weltformat, der jedoch den Makel besaß, nie einen internationalen Titel errungen zu haben.


Pierre Littbarski im Trikot des 1. FC Köln.
Pierre Littbarski im Trikot des 1. FC Köln.


„Klar hat mich das geärgert, dass ich mit dem Effzeh nichts Großes gewonnen habe, obwohl wir häufig nah dran waren. Allerdings muss man anerkennen, wie im Fall gegen Real Madrid, dass der Gegner stärker und besser war. Ich habe jede Niederlage auch als eine Art Challenge angesehen, noch besser werden zu wollen, und noch mehr für den Erfolg zu arbeiten“, so der ehemalige Bundesliga-Profi.


Littbarski über Angebot von AC Florenz: Hätte ich vielleicht annehmen sollen


Über 500 Partien absolvierte Littbarski wettbewerbsübergreifend für die Kölner und wurde für viele Generationen zum Idol und Identifikationsfigur. Ein Wechsel zur Konkurrenz oder zu europäischen Spitzenvereinen kam für den Mittelfeldspieler über Jahre hinweg nicht in Frage. „Es klingt vielleicht merkwürdig, aber mir war das Umfeld immer wichtiger als das Geld. Ich habe sehr gerne für den 1. FC Köln gespielt, weil das Publikum den Verein zu etwas ganz Besonderem werden lassen hat. Ich hätte sicherlich bei anderen Vereinen ein Vielfaches verdienen können, aber irgendwie hat mich das nicht gereizt. Ich fand es irgendwie spannender, mit Köln Meister werden zu können, als mit dem FC Bayern die fünfte Meisterschaft in Folge zu gewinnen. Das einzige Angebot, bei dem ich im Nachhinein ein wenig grüble, ob ich es nicht hätte annehmen sollen, war das von der AC Florenz“, reflektiert der 62-Jährige.


Community Hier alle Themen zum Effzeh mitdiskutieren Zum Köln-Forum 1986 entschloss er sich dann doch, zu wechseln, anstatt zu einem europäischen Spitzenverein aber zu Racing Paris nach Frankreich – und das aus einem eher ungewöhnlichen Grund. „Ich lag damals mit einer Verletzung im Krankenhaus. Kein Effzeh-Verantwortlicher besuchte mich während dieser Zeit, was mir bitter aufgestoßen ist. Ich dachte mir damals: Wenn das also die Dankbarkeit ist, dann kann ich den Verein auch gleich verlassen. Heute würde ich sagen, dass meine gekränkte Eitelkeit der Grund war, weshalb ich nach Paris gewechselt bin, denn in Wahrheit wollte ich nie gehen“, so Littbarski schmunzelnd.


Nach nur einer Saison in der Ligue 1 wechselte er zurück an den Rhein. Mit dem Transfer änderte sich auch die Spielweise Littbarskis, aus dem Vollstrecker wurde der Vorlagengeber. Trotzdem hing weiter der Makel des fehlenden internationalen Titels über ihm – bis zur WM 1990. „Viele von uns waren bis in die Haarspitzen motiviert, weil wir wussten, dass es die letzte Chance werden wird, diesen Titel zu gewinnen. Wir haben diesen Titel geholt, weil wir mit Abstand die beste Turniermannschaft waren. Ich war relativ entspannt, als Andreas Brehme im Finale zum Elfmeter antrat, schließlich hatte er nicht umsonst bei uns den Spitznamen Wilhelm Tell. Der Zusammenhalt innerhalb der Truppe war großartig. Mit Thomas Häßler habe ich lange Musik-Sessions gemacht. Der hatte Hunderte von Platten dabei. Mit Bodo Illgner habe ich mir ein Mofa ausgeliehen und dann sind wir einfach heimlich nach Mailand gefahren, um uns die Stadt anzuschauen. Ohne diesen Teamspirit wären wir nie Weltmeister geworden“, ist der Mittelfeldspieler, der in sechs der sieben Partien auf dem Platz stand, überzeugt.



Während viele in Littbarski den Fußball-Virtuosen sehen und gesehen haben, hatte er auf dem Platz den Ruf als verbal unangenehmer Gegenspieler. „Oh ja, ich glaube ich habe die Kunst des Trash-Talk beherrscht. Mir hat das irgendwie richtig Spaß gemacht, wobei man einstecken können musste. Ich erinnere mich an legendäre Auseinandersetzungen mit Michael Zorc auf dem Platz. Dabei waren Schimpfwörter fehl am Platz. Du musstest den Gegner schon ziemlich unter der Gürtellinie treffen, damit du seine Konzentration stören konntest. Heute blicke ich mit großer Freude auf meine Karriere zurück. Ich glaube, ich würde auch ohne den WM-Titel zufrieden mit meiner Karriere sein. Jedoch ist es irgendwie schöner, wenn die Menschen dich auf der Straße wegen des WM-Triumphs ansprechen, als wegen verlorener Finalteilnahmen“, sagt Littbarski augenzwinkernd zum Abschluss.


Text und Interview von Henrik Stadnischenko

Anzeige 
Weitere News

Letzte Beiträge Newsforum

Pulli7 1.FC Köln Pulli7 02.05.2022 - 10:05
Litti war und ist mein absoluter Lieblingsspieler. Nur wegen ihm (und vor allem dem angesprochenen Halbfinale 82 in Spanien gegen Frankreich) bin ich Effzeh-Fan geworden. Seine Skills waren damals unfassbar gut.

Das war so ziemlich das erste Spiel, das ich als damals 9-jähriger ganz bewusst im Fernsehen gesehen habe. Andere Spiele habe ich auch schon vorher gesehen, die haben mich aber nicht so interessiert.

Im Halbfinale war er dann mit einem Tor, einer direkten Vorlage und einer Flanke die zu der Kopfball-Vorlage von Horst Hrubesch auf Klaus Fischer (mit dem Fallrückzieher) geführt hat an allen drei Treffern im Spiel beteiligt.

Aber die ganz besondere Szene, die mich letztlich absolut überzeugt hat war beim Elfmeterschießen. Da hatte Uli Stielike (damals Real Madrind) verschossen und saß wie ein Häufchen Elend auf dem Rasen. Und Litti war der einzige der ihn getröstet hat. Das fand ich irgendwie total rührend. Da habe ich meinen Vater dann gefragt wo Litti spielt. Und zack: Effzeh-Fan!!

Außerdem eine unfassbare Länderspielkarriere: 3 WM gespielt, 3x Finale, 1x Weltmeister.

Und da ich in der Nähe von Wolfsburg lebe und auch beruflich da eine Verbindung besteht, hatte ich auch das Glück einige Male im VIP Bereich beim VfL Litti treffen zu dürfen. Ein absolut sympatischer Typ, der echt auf dem Boden geblieben ist. Er nimmt sich für alle und jeden einen Moment Zeit und ist immer für Fotos oder einen SmalTalk zu haben.

Toll finde ich auch seine Einstellung lieber mit einem "Underdog" Meister werden zu wollen, als mit dem absoluten Favoriten. Auch wenn die Bayern damals noch nicht den unangefochtenen Stand von heute inne hatten.

Witzig finde ich bei dem Interview vor allem, dass er genau das Spiel im Kopf hat, dass mich zum Effzeh-Fan gemacht hat. War ganz offensichtlich für uns beide was ganz besonderes. Aber war sicherlich auch sein bestes Spiel in seiner Laufbahn.
RW-FC 1.FC Köln RW-FC 01.05.2022 - 13:26
Weisweiler ist eine Legende, er hat einige Spieler sehr gefördert.
Schade das er gestorben ist.

Litti ist ebenso ein überragender Spieler, wir konnten in Köln froh sein ihn zu besitzen.

Ich finde man sollte ihn, in Köln interagieren.
Borusse_1994 Borussia Dortmund Borusse_1994 01.05.2022 - 12:47
Ist der Pierre mittlerweile nicht etwas zu alt?

Italien mag ja schon den Ruf etwas vorweisen können eine Rentnerliga zu sein, aber in dem Alter? Die Fiorentina scheint recht verzweifelt zu sein. Es bleibt spannend.

Und sorry, der Titel lässt leider kaum eine andere Schlussfolgerung zu. :P
Pierre Littbarski
Karriereende
Pierre Littbarski
Geb./Alter:
16.04.1960 (64)
Nat.:  Deutschland
Akt. Verein:
Karriereende
Vertrag bis:
-
Position:
Offensives Mittelfeld
Marktwert:
-
Hennes Weisweiler
---
Hennes Weisweiler
Geb./Alter:
05.12.1919 (63)
Nat.:  Deutschland
Akt. Verein:
---
Aktuelle Funktion:
Trainer
1.FC Köln
Gesamtmarktwert:
93,55 Mio. €
Wettbewerb:
Bundesliga
Tabellenstand:
17.
Kadergröße:
29
Letzter Transfer:
Justin Diehl