12.02.2010 - 13:44 | Quelle: Transfermarkt.de | Lesedauer: unter 12 Min.
Timo Wenzel
 

Wenzel: „Ich will noch mal voll angreifen!"

Der deutsche Abwehrspieler Timo Wenzel spielt seit der Saison 2008/2009 auf Zypern für Omonia Nikosia. Wie es dazu kam und welche Ziele er sich für die Zukunft gesetzt hat, besprach der 32-Jährige mit Sven Bauer (Lapdog).

Transfermarkt.de: Herr Wenzel, Ich würde Sie bitten, einen kleinen Rückblick auf Ihre Stationen VfB Stuttgart und 1.FC Kaiserslautern zu werfen. Was lief dort gut, was eher nicht?

Timo Wenzel: Eigentlich bin ich jemand der nur nach vorne schaut, aber gut: Ich bin beim VfB Stuttgart groß geworden und war zehn Jahre bei diesem Verein. Ich habe dem VFB sehr viel zu verdanken und er bleibt auch für immer in meinem Herzen. Ich habe dort mein erstes Bundesligaspiel gemacht, wir wurden Vizemeister und haben in der Champions League gespielt. Zusammenfassend war es eine sehr erfolgreiche Zeit. Kaiserslautern war ein ganz anderes Pflaster: Traditionsverein, guter Club, der oft gegen den Abstieg spielte, wobei dieser fast immer vermieden werden konnte. Im zweiten Jahr in Kaiserslautern wurde ich Kapitän. Im Nachhinein betrachtet war ich mit 26 Jahren vielleicht noch zu jung für dieses Amt. Daher sehe ich es rückblickend als Lehrjahr an.

Transfermarkt.de: Jeder Spieler, der schon einmal auf dem Betzenberg aufgelaufen ist, lobt die Atmosphäre. Wie haben Sie die Fans erlebt und was bekommt man während des Spiels davon mit?

Timo Wenzel: Die Atmosphäre auf dem „Betze“ ist einmalig. Die Fans lieben und leben den Verein. Ich hatte eine tolle Zeit dort und wir haben immer noch Bekannte und Freunde in der Region. Von den Fans bekommt man im Spiel natürlich etwas mit, aber ich probiere es so gut es geht auszublenden, um mich besser auf das Spiel zu konzentrieren. Grundsätzlich ist es für jeden Spieler allerdings ein Unterschied, ob im Hintergrund 30.000 Zuschauer anfeuern oder beispielsweise nur 3.000 Fans. Da ist der Ansporn selbstverständlich noch viel größer.

Transfermarkt.de: Im Mai 2006 wurde Ihnen vom FCK mitgeteilt, dass Sie den Verein verlassen müssen. Wie haben Sie davon erfahren und wie war Ihre Reaktion darauf?

Timo Wenzel: Direkt wurde es mir nie mitgeteilt, es hat sich so ergeben. Man war dann auf einmal nicht mehr in der Mannschaft und zum Schluss nicht mal mehr im Kader. Wenn man schon lange in dem Geschäft dabei ist, weiß man, wie der Hase läuft und solche Nackenschläge gibt es nun mal im professionellen Fußball. Nun gut, es war so und ich will da auch nicht weiter nachhaken. Man sollte aus Rückschlägen lernen und die richtigen Schlüsse ziehen und das habe ich getan – in dieser und anderen Situationen.

Transfermarkt.de: Sie haben sich dann entschlossen, in die zweite Liga zum FC Augsburg zu wechseln. Mit welchen Zielen?

Timo Wenzel: Die Aufgabe war sehr reizvoll: Traditionsverein, Pläne für ein neues Stadion, langfristiges Ziel war die 1. Liga, und so weiter. Das waren die Hauptgründe, zum FCA zu wechseln. Den angepeilten Aufstieg in die 1. Liga werden sie in den nächsten ein, zwei Jahren, vielleicht sogar dieses Jahr, schaffen. Ich drücke ihnen dabei die Daumen!

Transfermarkt.de: Ihr erstes Jahr verlief durchwachsen, Sie standen in der Kritik. Wie haben Sie Ihre Debütsaison beim FCA gesehen?

Timo Wenzel: Erst einmal musste ich mich an die Spielweise in der 2. Liga gewöhnen. Man hatte nicht so viel Platz, es wurde kampfbetonter gespielt - die üblichen Umstellungen bei einem Wechsel in eine andere Liga. Dazu kam die Kritik, weil Spieler aus der 1. Liga geholt wurden, die nicht sofort voll einschlugen. Im Laufe der Zeit hat sich dann alles normalisiert und es lief dann auch besser. Viele Leute im Umfeld und Verein dachten wahrscheinlich auch, wenn man Spieler aus der 1. Liga holt, läuft es von selbst. So einfach ist es aber natürlich nicht.

Transfermarkt.de: In der zweiten Saison hatten Sie Ihren festen Platz im Team. Warum lief es besser im Gegensatz zum Vorjahr?

Timo Wenzel: Mit der Zeit weiß man, wie man in der 2. Liga spielen muss. Man gewinnt an Erfahrung, Routine und dadurch letztendlich auch an Selbstvertrauen, was sich natürlich positiv auswirkt. Zudem hat sich auch die Familie nach einer gewissen Zeit im neuen Umfeld akklimatisiert und eingewöhnt, dann läuft vieles leichter.

Transfermarkt.de: Trotzdem verließen Sie den Verein im Sommer 2008. Warum?

Timo Wenzel: Weil ich kein frühzeitiges Angebot bekommen hatte und ich mit der Familie im Rücken zwecks Planungssicherheit nicht bis Mai warten wollte und konnte.

Transfermarkt.de: An Angeboten dürfte es Ihnen nicht gemangelt haben. Aus welchen Ländern und Ligen hatten Sie Anfragen?

Timo Wenzel: Sicherlich gab es verschiedene Angebote, allerdings möchte ich im Nachhinein nicht darüber sprechen. Nur so viel: Mit dem Wechsel zu Omonia Nikosia habe ich zu diesem Karrierezeitpunkt die richtige Entscheidung getroffen.

Transfermarkt.de: Wie entstand der Kontakt und was erhoffte sich der Verein mit Ihrer Verpflichtung?

Timo Wenzel: Der Erstkontakt kam mit Rainer Rauffmann im Sommerurlaub 2003 auf der Insel Zypern zustande. Damals haben wir gerade mit dem VfB die direkte Qualifikation zur Champions League geschafft. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Er fragte mich, ob ich es mir irgendwann vorstellen könnte, auf der Insel zu spielen. Sofort kam ein „Nein" von meiner Seite – viel zu heiß! Sechs Jahre später rief er mich an und fragte mich tatsächlich. Wir besprachen es in aller Ruhe und sind zu dem Entschluss gekommen, den Schritt zu machen, da unsere Kinder noch nicht schulpflichtig waren. Außerdem wollte ich schon immer die Erfahrung machen, als Ausländer in einem fremden Land zu sein und mich sportlich und menschlich zu entwickeln. Ich würde diese Entscheidung immer wieder treffen.

Transfermarkt.de: Welche Ziele hatten Sie bei der Vertragsunterschrift?

Timo Wenzel: Ganz klare Antwort: Die Aussicht, Titel zu gewinnen, hat mich besonders gereizt.

Transfermarkt.de: Von wem haben Sie sich Tipps bezüglich der zypriotischen Liga geholt?

Timo Wenzel: Ich hatte damals keinen richtigen Bezug zu einem aktuellen Profi aus der Liga. Dennoch habe ich zwei- bis dreimal mit Marco Haber telefoniert und mir Anregungen geholt. Er spielte nämlich insgesamt fünf Jahre auf der Insel und zwei Jahre davon bei dem Verein, bei dem ich nun spiele: Omonia Nikosia.

Transfermarkt.de: Eine wichtige Bezugsperson ist der ehemalige Lauterer Dimitrios Grammozis. Inwiefern hat er Sie anfangs unterstützt, nachdem er ein halbes Jahr später zu Ihrem Club wechselte?

Timo Wenzel: „Dimi“ ist immer die erste Person im Verein, mit dem ich mich austausche. Egal ob es im Training, im Spiel oder privat ist. Er ist eine sehr wichtige Person für mich. Ich denke, ich spreche ihm da aus der Seele. (lacht)

Transfermarkt.de: Nach Bekanntwerden Ihres Wechsels gab es Stimmen die besagten, Sie würden Ihre Karriere in sonnigen Gefilden in einer Amateurliga ausklingen lassen. Da viele keinen Eindruck von der Liga haben, beschreiben Sie bitte die Liga, die Vereine und das Training.

Timo Wenzel: Genau diese Ansicht hatten viele Leute, aber in Wirklichkeit ist es das krasse Gegenteil. Wir haben aktuell 14 Nationalspieler im Team. Auch wenn es keine englischen, deutschen, französischen oder argentinischen Nationalspieler sind: Das Niveau, also die Klasse in unserem Team, ist gewaltig. Ich wusste persönlich zu 100 Prozent vor meinem Wechsel, dass ich meine Karriere nicht ausklingen lassen wollte, weil ich sehr ehrgeizig bin und das nicht meinem Charakter entsprochen hätte. Grundsätzlich sieht es in der Division A folgendermaßen aus: Es gibt 14 Mannschaften in der Liga. Die ersten fünf bis sieben Mannschaften sind sehr gut, spielen auch jedes Jahr um den Titel mit. Am Ende machen es dann in der Regel die gleichen Teams unter sich aus: APOEL Nikosia, Omonia Nikosia, Anorthosis Famagusta, AEL und Apollon Limassol. Omonia Nikosia kann man auf Zypern mit dem FC Bayern München in Deutschland vergleichen. Das Training ist sehr professionell, nicht zuletzt durch unseren sehr erfahrenen Trainer, den wir seit gut einem Jahr haben. Beispielsweise trainieren wir immer mit Pulsuhren, damit die körperlichen Zustände aller Spieler genau festgehalten werden können. Insgesamt habe mich als Sportler und Mensch auf Zypern weiterentwickelt. Es war rückblickend tatsächlich der richtige Weg, den ich gegangen bin.

Transfermarkt.de: Sie sind nun seit eineinhalb Jahren in Nikosia. Wie würden Sie Ihre bisherige Zeit dort beschreiben, wie läuft es sprachlich?

Timo Wenzel: Die Zeit bis jetzt war sehr anspruchsvoll, weil der Verein jedes Jahr Meister und Cupsieger werden muss. Bei einer Niederlage ist gleich der ganze Verein betroffen und man denkt gleich über einen neuen Trainer nach. Dadurch ist der Erfolgsdruck hier natürlich extrem hoch. So etwas hatte ich in Deutschland vorher in diesem Ausmaß nicht erlebt. Ich versuche damit so umzugehen, dass ich probiere, meine Leistung hier so zu bringen, dass keiner an mir zweifeln kann. Es ist mein Job und den versuche ich zu mehr als 100 Prozent zu erfüllen. Natürlich darf es dabei nie an Faktoren wie Einsatz, Teamfähigkeit, Respekt und absoluter Loyalität zum Verein mangeln. Bislang gelingt mir das sehr gut. Zum Thema Sprache: Fast alle, mit denen ich hier zu tun habe, sprechen gutes Englisch. Zusätzlich haben wir immer einen Dolmetscher dabei, der alles auf Englisch übersetzt. So kann eigentlich jeder alles so verstehen, wie es sein soll. Griechisch ist eine sehr schwere Sprache, aber man versucht sie natürlich auch ansatzweise zu lernen, beispielsweise im Mannschaftshotel. Ich verstehe schon etwas Griechisch wenn ich will, allerdings spreche ich lieber perfektes Englisch als halb Griechisch und halb Englisch.

Transfermarkt.de: Sie sind Führungsspieler, haben nur aufgrund einer Rippenverletzung nicht alle Spiele absolvieren können und spielen mit Omonia um die Meisterschaft mit. Was ist noch für Ihr Team drin?

Timo Wenzel: Stimmt. Es läuft alles nach Plan. Wir sind drei Punkte hinter dem Ersten, APOEL Nikosia, und sind ihnen dicht auf den Fersen. Da ich ein positiver Mensch bin und immer an mich und mein Team glaube, denke ich, dass wir dieses Jahr den Titel holen, aber es ist noch ein langer Weg. Ich will unbedingt einen Titel mitnehmen und in guter Erinnerung bei den Fans bleiben, falls ich den Verein im Sommer verlassen sollte.

Transfermarkt.de: Wie ist das Leben auf Zypern abseits des Platzes?

Timo Wenzel: Mit der Familie ist es einfach ein Traum. Neben dem bereits angesprochenen, hochprofessionellen Vereinsumfeld ist die Lebensqualität wirklich top. Die Kinder gehen in den englischen Kindergarten und es ist für alle Eltern ein Genuss, seine Kinder mit zwei Sprachen aufwachsen zu sehen.

Transfermarkt.de: Wie und wo leben Sie, wie sind generell die Menschen dort?

Timo Wenzel: Ich lebe mit meiner Frau und meinen zwei Kindern in einem kleinen Ortsteil von Nikosia in einem schönen Einfamilienhaus. Die Leute beziehungsweise die Menschen sind sehr nett und helfen immer, wenn Bedarf ist. Natürlich besonders, wenn man Spieler bei Omonia ist.

Transfermarkt.de: Ihre letzte ernsthafte Verletzung hatten Sie 2001. Viele Ihrer Kollegen sind weitaus öfter von Verletzungen betroffen. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept.

Timo Wenzel: Ich lebe hundertprozentig für meinen Beruf und kann meinen Körper sehr gut einschätzen in Bezug auf das, was er zwischen den Spielen und den Trainingseinheiten braucht. Ich versuche einfach immer wieder aufs Neue, durch verschiedene Maßnahmen voll einsatzfähig zu sein. Die Themen Ernährung, Schlaf und Regeneration spielen dabei sicherlich für jeden Profi-Fußballer eine große Rolle. Das sind wohl die Hauptgründe, wieso ich mich trotz meiner 32 Jahre bei Weitem nicht so alt fühle.

Transfermarkt.de: Ihren Berater haben Sie auch gewechselt, Sie stehen nun bei der Prosports Management GmbH unter Vertrag. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?

Timo Wenzel: Ich habe mich nach guter Überlegung dazu entschlossen, diesen Schritt zu machen, weil mich das neuartige Konzept und die Personen hinter der Prosports Management GmbH einfach überzeugt haben. Sie sind in allen Bereichen, die einen Profi interessieren, bestens aufgestellt und werden ihren Weg erfolgreich gehen. Außerdem muss man im Leben auch gewisse Veränderungen vornehmen, um sich weiterzuentwickeln.

Transfermarkt.de: Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Sie haben sich bei Omonia etabliert, können noch ein paar Jahre Fußball spielen. Wie sehen Ihre Pläne für die kommenden Monate aus?

Timo Wenzel: Wir fühlen uns hier sehr wohl und sportlich läuft es auch alles nach Plan. Ich bin fit und wir spielen jedes Jahr um die Meisterschaft mit. Aber: Ich will noch mal voll angreifen und am liebsten in Deutschland beweisen, dass ich noch mindestens drei Jahre guten Fußball zeigen kann.

Transfermarkt.de: Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach dem aktiven Fußball?

Timo Wenzel: Ich habe sicherlich Pläne, da man sich ja frühzeitig Gedanken machen sollte, was nach dem Fußball passiert. Aktuell möchte ich nur so viel verraten: Ich werde dem Fußball wohl treu bleiben. Allerdings befinde ich mich aktuell in einem Alter, in dem ich mich noch hundertprozentig auf das Fußballspielen konzentrieren und selber aktiv auf dem Platz stehen möchte. Ich fühle mich einfach fit und verschwende daher noch keinen Gedanken an ein Karriereende.

Transfermarkt.de: Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade Fußball spielen?

Timo Wenzel: Die Familie – meine Frau und meine beiden Kinder – ist das Wichtigste für mich. Der Kontakt zu meinen Eltern und meiner jüngeren Schwester ist mir außerdem sehr, sehr wichtig. Danach kommt alles, was mit Sport zu tun hat - besonders Golf, Freunde treffen und einfach manchmal das machen, auf das man gerade Lust hat. Das ist als Profi eher selten der Fall, aber zumindest einmal im Jahr, wenn Urlaub ist, hat man die Möglichkeit dazu.

Transfermarkt.de: Bitte erzählen Sie eine Anekdote aus Ihrem Fußballerleben.

Timo Wenzel: Als ich mit dem VfB Stuttgart das Siegtor gegen die Glasgow Rangers in der Champions League geschossen habe, war ich – eher unüblich für einen Verteidiger – einen Tag beziehungsweise einen Abend der Mann des Tages, des Spiels, oder wie man es nennen mag. Es war mal schön, das zu erleben: 35 Kamerateams, alle wollen nur dich interviewen. Stars wie David Beckham, Kaka, Messi haben das jeden Tag. Das wäre nichts für mich, aber es war, wie gesagt, eine Erfahrung wert. Ich bin am Ende des Tages eher der Typ, der arbeitet, den Job gut macht und im Stillen genießt, als jeden Tag in der Öffentlichkeit zu stehen. Die Leute im Verein und die Fans sollen einfach zufrieden sein mit meiner Arbeit. Das will ich ihnen auf dem Platz geben, das bin eher ich.

Transfermarkt.de: Wir bedanken uns recht herzlich für das Gespräch und wünschen Ihnen für die weitere Zukunft alles Gute.

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Timo Wenzel
Karriereende
Timo Wenzel
Geb./Alter:
30.11.1977 (46)
Nat.:  Deutschland
Akt. Verein:
Karriereende
Vertrag bis:
-
Position:
Innenverteidiger
Marktwert:
-