1. Spieltag SG Dynamo Dresden - 1. FC Köln Aller guten Dinge sind drei

Pacults Telefon klingelte und ließ ihn aus dem Schlaf hochschrecken. ‚Hat der Dathe endlich meine Handy-Nummer gefunden‘, dachte er im ersten Moment, bis ihm einfiel, dass der ihm ja erst im Trainingslager das volle Vertrauen ausgesprochen hatte und seither noch kein Punktspiel gespielt, mithin auch noch kein Anlass gegeben war, ihn in vollem Vertrauen vorzeitig zu entlassen.

Er schaute auf das Display. „Anonym“ stand da. ‚Es wird doch nicht wieder der Koch sein.‘ Seit Tagen versuchte der ihm eine Taktik-Nachhilfestunde abzuschwatzen, weil Pacult ihm Lernunwilligkeit vorgeworfen hatte. Schöner Mist. Der Junge nahm wirklich ernst, was er sagte. Zwar hatten ihm seine Berater wie schon die vom Fromlowitz eingeflüstert, dass sie doch ihre Not auch mal öffentlich machen müssten, was er gar nicht schätzte. Doch seitdem gab der im Training noch mehr Gas. Würde er halt am Sonntag nach dem Köln-Spiel mit ihm mal eine Extra-Schicht machen müssen.

Ja, das Köln-Spiel. Der schwarz-gelbe Traditionsverein, dessen Profis Pacult trainierte, ging damit in seine dritte Zweitliga-Saison hintereinander. ‚Aller guten sind drei‘, machte sich Pacult Mut, obwohl er wusste, dass sein Team eigentlich noch nicht so weit war. ‚Es würde nur über den Kampf gehen. Da muss ich noch was rauskitzeln aus den Jungs. Und die verrückten Fans mussten die Mannschaft nach vorn peitschen wie beim Reli-Spiel.‘

Sein Handy brachte sich noch einmal in Erinnerung. Er nahm das Gespräch an. „Stöger“, schnarrte es. „Na, du alter Rapidler, biste wiedermal bei den Losern gelandet. Wir werden euch am Samstag so in die Tasche stecken wie die Austria Rapid in der letzten Saison.“ Pacult hatte da schon sein immer noch aus der Ferne für Rapid schlagendes Herz geblutet. Drei Niederlagen, ein Unentschieden war die Bilanz gewesen gegen den Stadtrivalen.

Kurz hatte er mit dem Gedanken gespielt, Rapid wie 2006 seine Dienste anzubieten. Irgendwer hatte das auch als Gerücht in die Krone lanciert. Doch Geschichte wiederholt sich nicht. Auch nicht die eigene. Und als in Dresden an seinem Stuhl gesägt wurde, obwohl er seinen Auftrag erfüllt hatte, blieb er gerade da. Er hatte hier schließlich etwas gutzumachen. Den ersten Teil, den Klassenerhalt, hatte er geschafft. Nun wollte er auch zeigen, dass er nicht nur als Retter was taugte. Dass er aber nun ausgerechnet im ersten Spiel gleich auf die Stöger-Truppe treffen würde, war fast schon eine Ironie des Schicksals. Die beiden einzigen Ösi-Trainer in der 2. Bundesliga im Duell.

„Ach, geh hin“, raunzte er zurück. „Als ich Trainer bei Rapid war, hat die Austria verloren. Schleich dich.“ Nachdem er aufgelegt hatte, wurde ihm bewusst, dass der Kölner Trainer sich ein bisschen in psychologischer Kriegsführung geübt hatte. ‚Na dem muss ja der A…. auf Grundeis gehen, wenn er schon zu solchen Mitteln greift. Wäre doch gelacht, wenn wir diesem Veilchen nicht ein Veilchen verpassen können. Den Stellvertreterkrieg gewinne ich.‘

Apropos Veilchen. Da war doch was. Richtig, der sächsische Erz-Kontrahent seiner Schwarz-Gelben trug die gleichen Farben wie die Austria. Lila war wie ein rotes Tuch an der Elbe. ‚Der Stöger wird sich noch wundern.‘ Er schickte den Canestrini los, ein paar Kontaktlinsen zu besorgen, die durch eine spezielle Lichtbrechung aus rot lila machten. Einige Spieler trugen sowieso solche Dinger, den anderen würde er was erzählen von besserem Sehen gegen die Sonne. Zwar war das Rot an den Kölner Trikots nur noch ein Streifen am Rande, aber das musste genügen.

Als die Goldfüße ihre Konkurrenten sahen auf dem heiligen RHS-Rasen, wunderten sie sich zunächst ein wenig ob der ungewohnten Farben. Aber dann tat das Lila seine Wirkung, Adrenalin wurde frei. Das Stadion tobte wie beim Derby gegen die Schachter. Am Ende stand es 3:2 für die Guten. ‚Aller guten Dinge sind wirklich drei‘, dachte Pacult und ging zur Pressekonferenz. Nachdem Stöger etwas von einer guten Leistung seiner Mannschaft faselte, die leider nicht belohnt wurde, war er mit seiner Einschätzung dran: „Rapid…“, er stockte kurz, wischte sich über die Augen und ließ die Linsen in der Hosentasche verschwinden. „Rapide Leistungssteigerung meiner Spieler, zu der ich sie nur beglückwünschen kann. Die ersten drei Punkte sind geschafft.“