31. Spieltag: 1.FC Heidenheim 1846 - 1.FC Magdeburg

07.05.2023, 13:30 Uhr
Voith-Arena, Heidenheim

Heidenheim vor dem Höhepunkt der Vereinsgeschichte
Am 31. Spieltag gastiert der 1. FC Magdeburg beim Tabellenzweiten 1. FC Heidenheim 1846. Die Jahreszahl geht auf das Gründungsdatum des Heidenheimer Sportbundes zurück, der seine Fußballabteilung im Jahr 2007 ausgliederte, um diese auf professionelle Strukturen auszurichten. Damals spielten die Fußballer in der viertklassigen Oberliga Baden-Württemberg. Im September desselben Jahres wurde der 33-jährige Frank Schmidt, der im Sommer seine Fußballschuhe an den Nagel gehängt hatte, vom Assistenten zum Cheftrainer befördert. Bei seinem Heimspieldebüt sahen 1.220 Zuschauer, wie die Hausherren den VfL Kirchheim mit 9:1 vom Platz fegten. Es ist der höchste Sieg, der in den Daten von transfermarkt.de hinterlegt ist. Mehr als 15 Jahre später steht Schmidt nach sagenhaften 582 Pflichtspielen kurz davor, den größten Erfolg der Vereinsgeschichte zu erreichen. Der Aufstieg in die Bundesliga ist nur noch drei Siege entfernt.

Klare Niederlage beim Gastspiel 2018, glückliches Remis in der Hinrunde
Am 20.10.2018 begab sich der Magdeburger Fußballclub erstmals in die knapp 50.000 Einwohner zählende Kreisstadt im Osten Baden-Württembergs. Der seinerzeit im Tabellenmittelfeld platzierte Gastgeber ließ dem Aufsteiger keine Chance und schickte ihn nach Toren von Sebastian Griesbeck, Nikola Dovedan und Marc Schnatterer mit einer 0:3-Schlappe zurück auf die lange Heimreise. Während keiner der drei Torschützen heute noch in Heidenheim kickt, zählen beachtliche sieben Spieler aus dem Kader der Saison 2018/19 weiterhin zum Team von Frank Schmidt.

Sie standen auch allesamt im Aufgebot für das Hinspiel am 28.10.2022: Torwart Kevin Müller, die Verteidiger Patrick Mainka und Marnon Busch, die Mittelfeldspieler Denis Thomalla und Kevin Sessa in der Startelf sowie Ersatztorwart Vitus Eicher und Defensivakteur Norman Theuerkauf auf der Bank. Mit dieser nahezu perfekt aufeinander abgestimmten Einheit bildeten die Gäste ein fast undurchdringliches Bollwerk und setzten im Umschaltspiel gefährliche Nadelstiche. Auf diese nutzten sie in der 23. Minute einen Fehler im Spielaufbau des FCM zum Führungstor durch Thomalla. Die Heimelf biss sich am disziplinierten Abwehrriegel die Zähne aus, kam in der Nachspielzeit aber noch zum überraschenden Ausgleich durch einen abgefälschten Schuss von Tatsuya Ito. Es war das erste Tor in den bisherigen drei Begegnungen.

Seit dem 14. Spieltag ununterbrochen auf dem Podium
Heidenheim setzte sich vom Saisonstart weg im oberen Drittel fest, verlor in der Hinrunde nur beim Hamburger SV und Holstein Kiel. Im Anschluss an das Remis in Magdeburg zog die Schmidt-Elf durch ein 3:0 im direkten Duell wieder an Paderborn vorbei auf den dritten Platz und behauptete ihn mit zwei spektakulären Siegen gegen Sandhausen (4:3) und Regensburg (5:4). Zum Auftakt in die Rückrunde gab es beim 0:2 in Braunschweig und dem 3:3 nach 3:0-Führung gegen den HSV leichte Dämpfer. Doch mit dem anschließenden 5:0 gegen Nürnberg wurde ein weiteres Ausrufezeichen gesetzt. Auch Ligaprimus Darmstadt wurde im eigenen Stadion durch ein spätes Siegtor von Jan-Niklas Beste mit 1:0 bezwungen. Die Ungeschlagen-Serie vor eigenem Publikum riss erst am 27. Spieltag, als der FC St. Pauli seinen rekordträchtigen zehnten Sieg in Serie einfuhr. Von der ersten Heimniederlage und dem Rückfall auf Platz drei ließ sich der Aufstiegskandidat nicht beirren und besiegte Hannover, Kiel und Fürth ohne Gegentor. Dank des FCM-Sieges über den HSV beträgt der Vorsprung auf den Relegationsplatz nun vier Punkte.

Die heim- und offensivstärkste Mannschaft der Liga
Der 1. FC Heidenheim ist Erstplatzierter der Heimtabelle, gewann 11 von 15 Heimspielen und erzielte dabei beeindruckende 40 Tore. Mit seiner über Jahre eingespielten Kernmannschaft und der kontinuierlich verfeinerten Spielweise setzt Schmidt in dieser Saison neue Maßstäbe, hat die bisherige Rekordpunktzahl (55) schon deutlich übertroffen und stellt mit 61 Toren zusammen mit Paderborn den besten Angriff der Liga. Davon fielen 12 Tore nach einer Standardsituation. Doch auch die Absicherung des eigenen Tores gelingt weiterhin, angesichts von nur 31 Gegentoren. Dabei betreibt der Tabellenzweite einen enormen Aufwand, um den Gegner bereits früh zu stören, führt in den Kategorien Laufdistanz, Sprints und Intensive Läufe die Ranglisten an. Zudem gewinnen die FCH-Spieler mit weitem Abstand die meisten Luftduelle der Liga (23,9 pro Spiel) und bringen die meisten langen Bälle zum Mitspieler (26,2 pro Spiel).

Kleindienst macht aus jeder halben Chance ein Tor
Diese Stärken werden vor allem von zwei Schlüsselspielern repräsentiert. Zum einen Torjäger Tim Kleindienst, der mit 23 Toren und 6 Vorlagen an fast jedem zweiten Treffer beteiligt ist. Auch statistisch gesehen hat der gebürtig aus Jüterbog (Brandenburg) stammende 27-jährige die Fähigkeit, aus einer halben Chance ein Tor zu produzieren. Nach dem Modell der expected goals wären anhand seiner Schusspositionen lediglich 12,8 Tore zu erwarten gewesen. Die 3,5 Millionen Euro Ablöse, die vor zwei Jahren an den belgischen Erstligisten KAA Gent überwiesen wurden, haben sich voll ausgezahlt. Der 1,94-Meter-Hüne lebt von seiner körperlichen Präsenz, gewinnt die meisten Kopfballduelle, absolviert die meisten intensiven Läufe und begeht die meisten Fouls aller Zweitligaspieler.

Pick blüht in der aktuellen Rückrunde auf
Der andere Unterschiedsfaktor ist Linksaußen Jan-Niklas Beste mit 10 Toren (bei 5,7 xGoals) und 11 Vorlagen, der seine starke Vorsaison bei Jahn Regensburg noch einmal deutlich toppt. Er zieht die meisten Sprints an, bereitet die zweitmeisten Chancen vor und schlägt die drittmeisten Flanken. Zur offensiven Durchschlagskraft trägt mit 7 Toren und 5 Vorlagen auch Thomalla bei, der seit 2016 im FCH-Trikot aufläuft. Darüber hinaus hat sich der Ex-Magdeburger Florian Pick nach langer Anlaufzeit in die erste Elf gespielt und lieferte in der Rückrunde beachtliche neun Torbeteiligungen. Ein weiterer Akteur mit FCM-Bezug ist Verteidiger Tim Siersleben, der bis zur B-Jugend an der Elbe kickte und sich in dieser Saison einen Stammplatz erarbeitet hat.

Heidenheims Verteidiger verrichten enorme Laufarbeit
Die Abwehrarbeit der zweitbesten Defensive zeichnet sich durch eine enorme Laufleistung aus. Unter den ersten zehn der laufstärksten Spieler der gesamten Liga rangieren mit Lennard Maloney, Patrick Mainka und Jonas Föhrenbach drei Defensivleute unter den ersten zehn der laufstärksten Spieler rangieren. Dabei gelingt es den Spielern, im Zweikampf körperbetont, aber fair zur Sache zu gehen. Heidenheim hat die zweitwenigsten gelben Karten der Liga kassiert (50). Mainka hat ligaweit von allen Verteidigern die meisten Luftduelle gewonnen. Darüber hinaus hielt Torhüter Müller mit 13 Partien ohne Gegentor seinen Kasten so oft sauber wie kein anderer Schlussmann. Für das anstehende Spiel gegen Magdeburg kann Schmidt bis auf den seit der Winterpause verletzten Adrian Beck aus dem Vollen schöpfen.

Die Lage beim Club: das Zünglein an der Waage im Aufstiegsrennen
Wie schon in der Hinrunde hatte der 1. FC Magdeburg im Elbduell mit dem Hamburger SV die Effizienz vor dem Tor und die nötige Portion Glück auf seiner Seite. Während dem HSV zwei Abseitstore und ein Strafstoß aberkannt wurden, bestraften die Hausherren die Nachlässigkeiten in der gegnerischen Abwehr eiskalt. Dabei verhalfen die beiden einstigen HSV-Talente Moritz-Broni Kwarteng und Tatsuya Ito ihrem Förderer Christian Titz zu seinem zweiten Sieg über den früheren Arbeitgeber.

Der FCM kann nun den letzten Schritt gehen, um auch rechnerisch den Klassenerhalt unter Dach und Fach zu bringen. Gleichzeitig hat er es in der Hand, das Rennen um Platz zwei wieder spannender zu machen. In der Rückrundentabelle rangiert die Titz-Elf auf einem bemerkenswerten achten Platz, in der Reichweite von Teams aus dem oberen Drittel wie HSV, Düsseldorf und Paderborn. Auch der sechste Platz in der Auswärtstabelle kann sich sehen lassen. In Heidenheim muss Titz auf den verletzten Toptorschützen Kwarteng verzichten und die Offensive umstellen. Dafür könnte der beste Vorbereiter Jason Ceka (10 Vorlagen) wieder in die Startelf rücken. Angesichts der komfortablen Lage von neun Zählern Vorsprung auf den Relegationsplatz können die Blau-Weißen ohne großen Druck auflaufen und sich mit dem Rückenwind aus zwei Siegen in Folge der besten Heimmannschaft der Liga stellen.