11.09.2023 - 21:00 | Quelle: Transfermarkt.de | Lesedauer: unter 7 Min.
Deutschland
Erich Ribbeck
Erste Bundestrainer-Entlassung 

Von Menschenwürde & Golfturnieren: So endete die DFB-Zeit von Flicks Vorgängern um Ribbeck

DFB: Flick erster entlassener Bundestrainer – So gingen Vorgänger Ribbeck & Co.
©IMAGO

Der Bundestrainer Hansi Flick ist Geschichte. Am 10. September wurde der 58-Jährige nach dem desaströsen 1:4 gegen Japan mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Ein einmaliger Vorgang in der 123-jährigen Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes. Flick ist der erste von inzwischen elf Übungsleitern, der nicht freiwillig oder mit Ablauf seines Vertrages geht. Was womöglich auch damit zu tun haben könnte, dass dem Triple-Trainer des FC Bayern dem „Kicker“ zufolge noch rund 4,5 Millionen Euro bis 2024 zustehen. Inzwischen läuft alles auf Julian Nagelsmann als Nachfolger hinaus.


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Hansi Flick
H. Flick Alter: 59
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„Für mich persönlich ist es eine der schwierigsten Entscheidungen in meiner bisherigen Amtszeit. Denn ich schätze Hansi Flick und seine Co-Trainer als Fußballexperten und Menschen. Der sportliche Erfolg hat für den DFB aber oberste Priorität. Daher war die Entscheidung unumgänglich“, erklärte DFB-Präsident Bernd Neuendorf die Trennung vom Bundestrainer. Wie war es in der jüngeren Vergangenheit? Transfermarkt blickt auf das Ende von Flicks Vorgängern zurück, die ihrer Entlassung durch einen Rücktritt zum Teil zuvorgekommen waren.



Joachim Löw (12.07.2006 bis 31.07.2021):


Der 63-Jährige erlebte den Höhepunkt seines Schaffens bei der WM 2014 in Brasilien, die mit dem Titel gekrönt wurde. Danach ging es schleichend abwärts: Halbfinal-Aus bei der EM 2016 gegen Frankreich, der erste Vorrunden-K.o. bei einer WM 2018 in Russland und schließlich das Ausscheiden bei der 2021 nachgeholten EM im Achtelfinale gegen England. Dass sich die Wege nach 15 gemeinsamen Jahren trennen werden, wurde schon vor dem Turnier kommuniziert – auf Initiative von Löw. Schon lange war öffentlich darüber diskutiert worden, ob der richtige Zeitpunkt für ein Ende dieser Ära längst verpasst wurde. So war Löw auch nach der Enttäuschung in Russland von der Führung um Reinhard Grindel gestützt worden.



Der Coach bedankte sich damals für das Vertrauen und sagte: „Auch meine Enttäuschung ist nach wie vor riesig. Aber ich möchte nun auch mit ganzem Einsatz den Neuaufbau gestalten.“ Bis im März 2021 ein Schlussstrich gezogen werden sollte. „Ich gehe diesen Schritt ganz bewusst, voller Stolz und mit riesiger Dankbarkeit, gleichzeitig aber weiterhin mit einer ungebrochen großen Motivation, was das bevorstehende EM-Turnier angeht“, wurde Löw in einer DFB-Mitteilung zitiert. „Stolz, weil es für mich etwas ganz Besonderes und eine Ehre ist, mich für mein Land zu engagieren. Und weil ich insgesamt fast 17 Jahre mit den besten Fußballern des Landes arbeiten und sie in ihrer Entwicklung begleiten durfte.“


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Joachim Löw
J. Löw Alter: 64
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Der damalige Präsident Fritz Keller sagte: „Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von Joachim Löw. Der DFB weiß, was er an Jogi hat, er ist einer der größten Trainer im Weltfußball. Jogi Löw hat den deutschen Fußball wie kaum ein anderer über Jahre hinweg geprägt und international zu höchstem Ansehen verholfen. (…) Dass er uns frühzeitig über seine Entscheidung informiert hat, ist hoch anständig. Er lässt uns als DFB somit die nötige Zeit, mit Ruhe und Augenmaß seinen Nachfolger zu benennen.“


Joachim Löw mit dem WM-Pokal 2014 in Brasilien
Joachim Löw mit dem WM-Pokal 2014 in Brasilien


Jürgen Klinsmann (26.07.2004 bis 11.07.2006):


Kurz vor der Heim-WM 2006 stand der Ex-Stürmer und Revolutionär nach einem 1:4 gegen Italien vor dem Aus. „Die DFB-Elf ist 100 Tage vor dem WM-Auftakt nach einer schwachen Leistung beim dreimaligen Weltmeister Italien an einem Tiefpunkt angekommen. Das Team von Bundestrainer Klinsmann war (…) in Florenz chancen- und ideenlos“, schrieb der „Spiegel“. Nach dem Turnier mit Platz drei und erfrischendem Fußball war Klinsmann plötzlich der Liebling der Nation.


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J. Klinsmann Alter: 59
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Die brennende Frage, ob er seinen Vertrag verlängern werde, blieb bis Mitte Juli unbeantwortet, bis Klinsmann drei Tage nach der WM für Klarheit sorgte. „Ich habe den großen Wunsch, wieder zu meiner Familie zurückzugehen“, erklärte der damals in Kalifornien lebende 41-Jährige. „Ich fühle mich ausgebrannt und werde jetzt erst mal ein halbes Jahr Urlaub nehmen.“ Das DFB-Vertragsangebot lehnte er deshalb ab. Sein bisheriger Assistent Joachim Löw übernahm. Manager Oliver Bierhoff verkündete, dass „wir ein Gerüst aufgebaut haben, dass auch ohne Jürgen Klinsmann funktioniert.“




Rudi Völler (01.07.2000 bis 24.06.2004):


Der 63-Jährige, am Dienstag gegen Frankreich als Interimslösung mit Hannes Wolf und Sandro Wagner auf der Bank, sollte als Teamchef damals eigentlich nur ein Jahr überbrücken, bis Christoph Daum ihn ablösen würde, um die WM 2002 zu bestreiten. Die Kokainaffäre machte Völler zur dauerhaften Lösung. Mit Deutschland wurde er völlig überraschend Vizeweltmeister in Japan und Südkorea, 2004 folgte der Absturz: Die DFB-Auswahl scheiterte bei der EM in Portugal in einer Gruppe mit den Niederlanden, Lettland und Tschechien. Völler zog die Konsequenzen und trat zurück, auch sein Assistent Michael Skibbe wich.


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Rudi Völler
R. Völler Alter: 64
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„Ich hatte das Gefühl, dass durch die WM im eigenen Land es nur jemand machen kann, der einen gewissen Kredit hat in diesen zwei Jahren, einen ähnlichen Kredit, wie ich ihn vor vier Jahren hatte, der ist wichtig“, begründete Völler. Der damalige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder meinte: „Wir bedauern diese Entscheidung sehr, wir haben sie aber zu respektieren.“ Der Verbandschef habe versucht, Völler „noch umzustimmen“. Ohne Erfolg. „Wir haben uns offen ausgesprochen, sodass unser gutes und offenes Verhältnis und die Nähe zum DFB immer erhalten bleiben. Rudi Völler hat dem DFB in einer sehr schwierigen Situation nach der EM 2000 geholfen.“



Erich Ribbeck (10.10.1998 bis 20.06.2000):


Die Zeit des früheren Leverkusener und Münchner Coaches ging als unglücklichste Episode eines Bundestrainers in die deutsche Fußballgeschichte ein. Schon vor der EM-Endrunde 2000 in den Niederlanden und in Belgien war Ribbeck, laut eigener Aussage ohnehin nur „siebte Wahl“, schwer angezählt. Einige Spieler sollen – am Ende erfolglos – in der Vorbereitung aufs Turnier versucht haben, den Trainerroutinier zu stürzen („Mallorca-Revolution“) und durch Lothar Matthäus zu ersetzen. Der aber wollte offenbar gar nicht. Bundestorwarttrainer Sepp Maier verriet hinterher: „Ich glaube, in dem Zustand, in dem die da waren, hätten sie nicht mal mehr dem Ribbeck sein Schlafzimmer gefunden. Geschweige denn, ihn stürzen können.“



Bei der Endrunde war nach wenig berauschenden Auftritten gegen Rumänien, England und Portugal folgerichtig Schluss. Der deutsche Fußball lag sechs Jahre vor der WM im eigenen Land am Boden. Ribbeck, der DFB-Coach mit dem schlechtesten Punkteschnitt, trat einen Tag nach dem Ausscheiden zurück. „Er hat mich angerufen und gesagt, er stünde für das Amt nicht mehr zur Verfügung“, verkündete Präsident Egidius Braun. Und sagte über den Zustand der Nationalmannschaft: „Sie ist auf deprimierende Weise ausgeschieden. Ich bin entsetzt über das, was da abgelaufen ist.“ Ribbeck äußerte niedergeschlagen: „Es ist mir nicht gelungen, aus Deutschlands besten Fußballern eine schlagkräftige Mannschaft zu machen.“ Seine Trainerkarriere war endgültig beendet. „Ich habe bisher lediglich ein paar Einladungen für Golfturniere.“


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Erich Ribbeck
E. Ribbeck Alter: 86
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10
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6
Verloren
8



Berti Vogts (09.08.1990 bis 07.09.1998):


Der 96-fache Nationalspieler trat das schwere Erbe von Weltmeister-Teamchef Franz Beckenbauer an, der seinem Nachfolger den folgenden vielfach zitierten Satz hinterließ: „Auf Jahre hinaus wird unsere Nationalmannschaft unschlagbar sein.“ Vogts erzählte danach einmal: „Eine Stunde später rief er mich an und sagte: ‚Berti, ich glaube, ich habe da großen Mist erzählt. Es tut mir so leid.‘“ Ganz so leicht war es für den Nachfolger tatsächlich nicht.


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Berti Vogts
B. Vogts Alter: 77
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Das EM-Finale 1992 ging gegen Dänemark 0:2 verloren, bei der WM 1994 in den USA schmiss Bulgarien die deutsche Elf im Viertelfinale aus dem Turnier. 1996 triumphierte Vogts mit seiner Mannschaft bei der Europameisterschaft in England, Bierhoffs erstes „Golden Goal“ der Geschichte im Finale gegen Tschechien hat einen festen Platz in der DFB-Historie. Große Ernüchterung allerdings bei der WM 1998 in Frankreich: Kroatien schmiss das DFB-Team im Viertelfinale mit 3:0 raus, Vogts war mit einer sehr erfahrenen Mannschaft gescheitert. 


Berti Vogts holte mit dem DFB 1996 in England den Europameistertitel
Berti Vogts holte mit dem DFB 1996 in England den Europameistertitel


Der damals 51 Jahre alte Coach blieb zunächst und sollte den Neuaufbau des deutschen Teams vorantreiben. Ein 2:1 gegen Malta und ein 1:1 gegen Rumänien später konnte davon nicht mehr die Rede sein, die Kritik nahm von allen Seiten Überhand. Vogts zog die Konsequenzen und bot während eines Telefonats mit Verbandschef Braun seinen Rücktritt an. Der öffentliche Druck sei zu groß geworden. Braun nahm an: „Es tut menschlich unglaublich weh, diese Trennung zu vollziehen, doch als Präsident des DFB musste ich zu der Erkenntnis kommen, dass diese Entscheidung unausweichlich war.“ Vogts ließ wissen: „Die gegenwärtige Situation ist deshalb so schwierig, weil sich Kritik an meiner Person festmacht. Deshalb will ich einer guten Entwicklung nicht im Wege stehen. Außerdem bin ich es mir selbst schuldig, den letzten Rest Menschenwürde zu verteidigen, welcher mir noch gelassen worden ist.“


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Namoor Namoor 12.09.2023 - 14:18
Zitat von fan1887
Zitat von Markus86

Zitat von Namoor

Zitat von vodooman

https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Nerz
Otto Nerz ist der erste Bundestrainer der entlassen bzw gezwangsurlaubt wurde - Flick also nur der zweite
Otto Nerz wurde befördert, zum „Referent für die Nationalmannschaft“ und damit zumindest nominell zum Vorgesetzten von Sepp Herberger.
Abgesehen davon kamen andere mit ihrem Rücktritt nur der sicheren Entlassung zuvor, bestes Beispiel Erich Ribbeck.
Aber den Vorgänger muss man zugute halten, das sie es immerhin erkannt haben. Weder Löw (der eine gute Zeit hatte) noch Flick haben erkannt das sie nicht die richtigen (mehr) sind. So eine Selbsterkenntnis und kritische Reflexion wünsche ich mir schon.
Löw ist doch zurückgetreten, wenn auch zu spät. Vogts klebte ähnlich lange an seinem Sessel. Sowieso sind sie alle (auch Ribbeck) nur ihrer Entlassung zuvorgekommen. Flick war klüger und lässt sich jetzt abfinden.

Flick hätte sich auch bei einem öffentlich kommunizierten Rücktritt abfinden lassen können. Die Modalitäten dafür klärt man im Hintergrund, aber Formulierungen wie "habe um Freistellung gebeten" sind hier üblich.

Ich gehe auch davon aus, der DFB hat ihm das angeboten und er hat abgelehnt bzw. darauf bestanden zumindest noch das Frankreich Spiel zu bekommen.
devils79 SG Eintracht Gelsenkirchen devils79 12.09.2023 - 10:58
Schön und Derwall wären als Vereinstrainer sicher auch entlassen worden. Es lag bisher meist am Verband, dass man ein etwas rühmlicheres Ende gefunden hat. Was nicht unbedingt ein Lob ist, den meist wurden vorherige Probleme schon lange übersehen und wurden durch Erfolge kaschiert. Speziell Derwall 1982 und Vogts 1996
fan1887 Hamburger SV fan1887 12.09.2023 - 09:42
Zitat von Markus86
Zitat von Namoor
Zitat von vodooman
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Nerz
Otto Nerz ist der erste Bundestrainer der entlassen bzw gezwangsurlaubt wurde - Flick also nur der zweite
Otto Nerz wurde befördert, zum „Referent für die Nationalmannschaft“ und damit zumindest nominell zum Vorgesetzten von Sepp Herberger.
Abgesehen davon kamen andere mit ihrem Rücktritt nur der sicheren Entlassung zuvor, bestes Beispiel Erich Ribbeck.
Aber den Vorgänger muss man zugute halten, das sie es immerhin erkannt haben. Weder Löw (der eine gute Zeit hatte) noch Flick haben erkannt das sie nicht die richtigen (mehr) sind. So eine Selbsterkenntnis und kritische Reflexion wünsche ich mir schon.
Löw ist doch zurückgetreten, wenn auch zu spät. Vogts klebte ähnlich lange an seinem Sessel. Sowieso sind sie alle (auch Ribbeck) nur ihrer Entlassung zuvorgekommen. Flick war klüger und lässt sich jetzt abfinden.
Autor
PhilippMrq
Philipp Marquardt
TM-Username: PhilippMrq

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Joachim Löw
Vereinslos
Joachim Löw
Geb./Alter:
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Nat.:  Deutschland
Akt. Verein:
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Aktuelle Funktion:
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Jürgen Klinsmann
Geb./Alter:
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Berti Vogts
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Erich Ribbeck
Geb./Alter:
13.06.1937 (86)
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Akt. Verein:
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